Rheinsberg – „Generationsweise vom Blatt geliebt“

„Und ich rufe Natur! Natur!“, entfuhr es dem jungbegeisterten Goethe in seiner Rede Zum Schäkespears Tag, und es ist ein seitdem nicht verklungener Aufruf zum Ausbruch geworden, ein Urschrei, der die Ketten der sich um uns windenden Zivilisation sprengen soll. Zurück zum Urtümlichen, Regellosen! Einen klitzekleinen Wurmfortsatz dieses Strebens nach dem unverstellten Menschsein beschreibt Kurt Tucholsky in seinem Büchlein „Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte“. Treibmittel des Konventionsbruchs ist in diesem Fall die Liebe, ganz so, wie es sich für ein Werk der Weltliteratur ziemt.

Claire und Wolfgang brennen gemeinsam durch, wenigstens für ein Wochenende. Sie büchsen aus und nehmen den Zug nach Rheinsberg, weg von allen Anstandswauwaus und weg von ihrem Berliner Alltag, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt ist von strengen Moralvorstellungen und preußischer Zackigkeit. In der nordbrandenburgischen Seenlandschaft turteln sie, was das Zeug hält, geistern durch das „ehrwürdige Schloss“ und nehmen – in einer kindisch-grotesken Geheimsprache – ihre Umgebung auf den Arm. Ein idyllischer Augenblick glücklicher Zweisamkeit, jeder Blick nach vorne oder zurück wäre hier ein Frevel.

Seligen Herzens gedenken auch die Weinbeeren ihrer Jugend, da die Welt noch kunterbunter schien und der junge Alte Fritz noch aus den Fenstern des Rheinsberger Schlosses zu grüßen pflegte.

 

doimlinque: 500 Jahre Deutsches Reinheitsgebot – ich trinke belgisches Trappistenbier.

Diander: Ich bleibe bei Weinschorle, as usual, danke der Nachfrage.

Anchesa: Und ich bin noch beim Tee, aber das kleine Rotkäppchen steht schon neben mir.

Diander: Ein Männlein steht im Walde, das Rotkäppchen neben Anchesa. Weg mit dem Tee, es ist Weinbeerenzeit, nicht Kamillentime.

Anchesa: Okay, überredet.

doimlinque: Ad rem. Der Tucho – Euer Fazit?

Anchesa: Das war der erste Tucholsky, den ich gelesen habe. Also ich war enttäuscht und begeistert zugleich. Enttäuscht über die Figuren, besonders die Art der Claire ging mir tüchtig auf die Nerven. Begeistert von der Sprache Tucholskys, wenn er die Landschaften, Gedanken und Begegnungen beschreibt.

Diander: Das habe ich befürchtet, dass Clairchen Dich nervt. Dabei ist sie ja durchaus eine gewitzte Person, stark und intelligent. Gleich zu Beginn gesagt: Im Buch stören sie und ihre eigenartige Sprache mich nicht, aber das Hörbuch ging mir an der Stelle gewaltig auf den Wecker. Dort wurde sie zusätzlich zu ihrer Sprechweise mit einer fiepsigen Kinderstimme gesprochen, das hat mir den Genuss getrübt. Aber bevor wir uns an Clairchen festhaken: Das Buch ist sehr schön, eine Ode an die Jugend, zu der wohl jeder zusätzlich so seine eigenen Gedanken und Erinnerungen hervorkramen kann.

Anchesa: Ich habe zuerst das Buch (mehrfach) gelesen und erst zum Schluss das Hörbuch gehört, aber schon beim Lesen habe ich mir die Stimme der Claire bei ihren kindischen Sätzen so fiepsig vorgestellt. Aber das Buch selber, wie gesagt, gefällt mir durch die Beschreibungen sehr.

doimlinque: Hmm. Stelle ich mir schwer vor, das Buch zu mögen, wenn man von den beiden Hauptfiguren enttäuscht ist. Es dreht sich doch alles um ihr Paarsein. Naja… Und die Beschreibungen – Doppelhmmm. Die fand ich nun gerade ein wenig banal. Nee, ich finde, das Buch lebt von den Dialogen, und ich würde mit Claire nicht so hart ins Gericht gehen. Verliebte Jugendliche haben das Recht, albern zu reden.

Diander: Finde ich auch, das dürfen sie. Neben den Dialogen ist aber schon auch noch mehr, die Geschichte lebt ja einerseits vom zärtlichen Geturtel, aber andererseits auch von der besonderen Situation, in der das stattfindet. Die pure ländliche Idylle, die im Gegensatz zum normalen städtischen Getümmel so ihre ganz eigenen Reize hat, das Schloss, der See im Kontrast zum turbulenten Ballin. Ohne dieses Ambiente wäre die Geschichte nur halb so reizend, die Umgebung unterstützt die Leichtigkeit der Tage.

Hach, er ruders...

doimlinque: Stimmt schon, es wird da – eingerahmt durch An- und Abreise mit der Bimmelbahn – so ein Ausnahmezustand geschaffen, der ganz und gar unwilhelminisch-preussisch daherkommt.

Anchesa: Die Idee, die Situation und Ausführung hat mir schon gefallen. Genervt hat mich halt nur, dass Claire durchweg auf dem Niveau einer 13jährigen war, nichts und niemanden ernst nahm. Ich glaube, ein Tag mit „dieser“ Claire würde mich tüchtig stressen.

doimlinque: Sicher. Aber Du bist ja auch nicht verliebt in sie. Ich weiß nicht, ich finde die Art der beiden, auch Claires Sprache, zeigt so eine Art Komplizenschaft an: Eine eigene kleine, auch kindische Gegenwelt zum bürgerlichen Drumherum. Nervig? Ja, auch. Aber was sagt man nicht alles für Unsinn in bestimmten Momenten…

Clairchen, kecken Blickes...

Diander: Eigentlich erfährt man im Buch auch relativ wenig über die beiden außer ihrer intimen Sprache und Vertrautheit. Das Innenleben bleibt eher außen vor (hä? stutzt selber). Alles, was man erahnen kann, ist, dass sie Medizinstudentin ist, wohl aus gutem Hause, Ende. Und er bleibt als sonstige Person völlig unklar, nur der Augenblick und die gemeinsamen Tage mit ihren Freuden zählen. Ist aber auch für das Buch nicht so wichtig. Allerdings wird eins unter Berücksichtigung der Zeit klar: So richtig bürgerlich-preussisch, das was Du, doimlinque, vorher meintest, sind sie keinesfalls. Ein junges unverheiratetes Pärchen, das ein paar Urlaubstage gemeinsam verbringt, war damals sicher nicht die Regel.

doimlinque: Nee, das Drumherum sind ja auch die anderen. (Abgesehen davon, dass das Schaffen von unreglementierten Gegenwelten alte Bürgertradition ist.) Aber das fand ich prinzipiell auch auffallend. Keine 20 Jahre vor „Rheinsberg“ hat Fontane „Effi Briest“ veröffentlicht. Da meint man, ungefähr ein ganzes Universum würde in der Zwischenzeit zusammengebrochen sein.

Diander: Ja, und zwar so, dass die Sexualität zwar nicht explizit ausgeführt, aber doch durch die Blume angedeutet wird. Und es wird auch Kritik an der bürgerlichen Vorstellung von Jungfräulichkeit geübt, „Man behütet nicht umsonst ängstlich das Letzte, wenn man nicht weiß, dass es das Kostbarste ist, was man zu geben hat…Wir aber wollen besitzen“.

doimlinque: Sexualiwie? Sexualiwas? Ich bitte Dich, dies ist ein anständiger Blog!

Diander: Jaja, ist ja auch eine Idylle mit Schafen, Jägern, Bauersfrauen und allem. Nachts wird höchstens mal der Mond angeschaut.

doimlinque: Dann bin ich ja beruhigt…

Idylle pur: Der Kastellan, Herr Adler 
und die Weißwarenladendamen namens Luft...

Anchesa: Und doimlinque, wie fandest Du das Hörbuch?

doimlinque: Auf die Gefahr hin, Euch zu schocken: Mir hat es gut gefallen. Mich hat auch die Stimme da nicht so arg genervt, ich fand das eher amüsant.

Anchesa: So ging es mir auch. Nach dem Lesen hatte ich mir die Stimme der Claire ja schon so vorgestellt und dann passte es wieder super. Und „die Thalbach“ ist ja eh für Hörbücher prädestiniert.

Diander: Grundsätzlich schon auch, ich fand nur, dass sie bei Claire ein wenig übertrieben hat. Zumindest in meinem Kopf hatte sie im Buch keine so kindliche Stimme. Ich habe fei das Buch schon auch zuerst gelesen, gell. Aber wisst Ihr, was mich überrascht hat? Die Froboess im Film. Die fand ich ja herausragend besetzt und gespielt, toll umgesetzt. Das ist Clairchen, genauso, wie ich sie mir im Buch vorstelle. Während das plüschäugige Wölfchen mir im Film nicht gefiel.

doimlinque: 100 %ige Zustimmung. Pack die Badehose ein, ich hab’s schon immer gesagt. Der Film ist blöd und belanglos, aber die Froboess ist richtig gut. Der Film hat als abendfüllende Angelegenheit aber natürlich auch das Problem, dass er zu dem im Buch beschriebenen, außerhalb aller Regeln stehenden Wochenende noch eine ganze Vorgeschichte dazu erzählen muss. Und das macht die Magie des Augenblicks einfach kaputt.

Anchesa: Dem ist nichts hinzuzufügen, ich hab den Film gerade wegen der Froboess sehr gern gesehen.

Diander: Man hat ja oft ihre alten Klamotten im Hinterkopf, aber immerhin war sie über Jahrzehnte eine gefeierte Bühnendarstellerin, und das nicht zu Unrecht. Ich habe sie mal in München irgendwo in einem Stück, ich glaube in den Kammerspielen gesehen, Hammer. Das ist aber schon einige Monde her.

doimlinque: Jupitermonde?

Diander: Mindestens! Alter Charmeur.

doimlinque: Nicht gar so alt.

Anchesa: Aber gerade weil ich die Beschreibungen der Orte und Situationen so gut fand, hat es auch sehr viel Spaß gemacht, diese aufs Papier zu bringen.

Szenen rund ums Rheinsbergs...

doimlinque: Daran krankt der Film übrigens auch noch: Des is überhaupt nicht Rheinsberg! Irgend so ein dahergelaufenes Herrenhaus in der Nähe von Kiel musste für das Schloss herhalten, das ist schon schlapp. Vielen Dank, DDR!

Diander: Man hat es auch ein wenig verschämt getarnt, selten im Blick gewesen. Noch was anderes. Hattet Ihr eigentlich auch das Gefühl, dass die Geschichte im Frühjahr spielt? Tut sie aber nicht, Herbst ist es. Das fiel mir heute wieder ein, als ich eine andere Geschichte von Tucholsky las, „Die fünfte Jahreszeit“. Darin beschreibt er den Frühling als langen, bleichgesichtigen Jüngling, preist aber die paar Tage im Herbst, in denen gerade der Sommer zu Ende geht, die Natur den Atem anhält, Mücken im schwarz-goldenen Licht spielen, Pflaumenblau auf den Höhen… Das müssen diese Tage von Rheinsberg gewesen sein, bevor der eigentliche Herbst mit Wucht kommt. So gesehen passt es wieder, aber meine erste Intuition war „Frühling“. Ein bisschen naheliegend, well.

Rheinsbörg itself

Anchesa: Ich hab gleich an Herbst gedacht beim Lesen, schon wegen der Szene mit den Eisbeeren, die Claire zertritt. Auch so ne kindische Sache…

Diander: Herrlich, das habe ich als Kind auch immer gemacht.

doimlinque: Ist eine Geschichte von Kaspar Hauser, gell, dem einen der drölf Tucho-Pseudonyme. Deine Frühlingsintuition kam bestimmt wegen dieses Sexualdings. Schneller Themenwechsel. Ich wollte noch etwas zu Deinen Kammerspielen sagen. Ich hatte manchmal das Gefühl, die Rheinsberg-Geschichte sei auch so etwas wie ein Bühnenstück. Die beiden sind ja auch ganz eifrig vertieft in ihre Rollenspiele. Und dann beobachten sie auch noch eine Amateur-Theatervorstellung, da schien sich für mich das Große im Kleinen zu spiegeln.

Anchesa: Da könntest Du Recht haben, wenig Schauplätze, wenige Personen, alles konzentriert auf fast zwei Personen an einem Ort.

Diander: Ich würde es anders sehen: das Theater, so sagt Wölfchen es ja auch, ist ein Scheinleben, während ihre Tage das pure, echte Leben sind. Das reine, unverfälschte, pure Glück des Augenblicks. Das wahre Leben, zumindest in dem einen vergänglichen Moment.

doimlinque: Das reine Glück, ja, aber echt? Ich weiß nicht recht. Echte Verliebtheit und alles, natürlich. Aber sie spielen doch von morgens bis abends. Mit den Konventionen, und auch mit dem, wie sie zueinander stehen. Mal sind sie „das Ehepaar Gambetta“, dann ein „Geschwisterpaar“ aus der Gegend usw. Mir scheint da schon auch viel für die Bühne dabei zu sein.

Diander: Ich denke, dass das schon Wölfchens respektive Tucholskys Ernst war, dass er sich genau das als Ideal, Glück, vollendeten Moment vorgestellt und erinnert hat. Das Spiel gehört zu diesem Glückszustand dazu, ist seine Vorstellung vom Glück. Man kann ja davon ausgehen, dass die Tage tatsächlich so ähnlich stattgefunden haben und er immer wieder nach dieser Vollkommenheit gesucht hat, aber nicht mehr fand. Die Leichtigkeit des Moments, fern von falsch aufgerollten Zahnpastatuben und der Frage, wer den Abwasch erledigt und die Windeln wechselt.

Wölfchen aka Tucholsky

doimlinque: Wer den Abwasch erledigt? Donna schiava – piatti lava! Ja. Nein. Ist doch aber kein Widerspruch zu dem, was ich gesagt hatte. Sie spielen. Und es ist das reine Glück. Und irgendwie aus der Zeit gefallen, weil der Zug eben auch wieder zurück nach Berlin gehen wird.

Diander: Zurück nach Berlin zum Abwasch, ja. Dann lass es mich so ausdrücken: Ja, einverstanden, sie spielen, aber nicht für die Bühne, sondern für sich, für ihr eigenes Glück. Während die Theatertruppe vielleicht eher für andere spielt.

doimlinque: Rechthabenmüsserin. Ich antworte mit Claire: „Ach Gott, konnste auch besser mir nicht zu bekorrigieren zu gebrauchs gehabs habs!“

Diander und Anchesa fallen schier vom Stuhl vor Lachen.

Anchesa: Dieser Punkt ging wohl nach Holland. Aber was ich noch anführen wollt: Ist Euch aufgefallen, wie aktuell Tucholskys Worte aus dem Vorwort sind? „Heute sind die Worte schwer geworden und wenn einer ‚Blut‘ oder ‚Tod‘ sagt, dann ist das alles nahegerückt und verdammt real. Und wir sind doch abgestumpft dagegen und hören kaum noch hin, wenn eine neue große Umwälzung herankomme. Von uns aus…! Eine fette Überschrift in der Zeitung mehr.“

doimlinque: Er schreibt natürlich mit dem unmittelbaren Eindruck des Weltkriegs im Kopf. Ich glaube, unsere Abgestumpftheit ist noch mal eine etwas andere.

Diander: Wohl wahr. Noch eine andere Frage zum Vorwort, ich habe da eine andere Ausgabe, in der Tucholsky 1921 in der „Weltbühne“ über „Rheinsberg“ schrieb: „Weil aber die Zeit läuft und sich das, was zwischen den Zeilen eines Buches ausgedrückt ist, niemals länger als fünfzig Jahre hält und mit den Menschen, von denen es und für die es geschrieben ist, dahingeht – deshalb wird die Dame Lydia mit den Achseln zucken und sagen: „Reizend!“ Und dann wird die Geschichte mit ihr und dem jungen Herrn ihren Fortgang nehmen.“ Tucholsky selber war also eher der Ansicht, dass die Geschichte nur für ein bis zwei Generationen von Interesse oder Amüsemang ist. Nein, oder?

Anchesa: Tucholsky schreibt nicht über seine Geschichte, sondern „…zwischen den Zeilen eines Buches…“, er meint also allgemein Bücher. Und er hat teilweise Recht. Manche Bücher sind wohl wirklich nur für die Generation des Schreibers gewesen, wie viele tausende sind wohl verloren gegangen. Andere aber sind „Klassiker“ und werden sicher auch noch in weiteren fünfzig oder hundert Jahren gelesen. Wie unsere besprochenen Klassiker oder Jane Austen z.B.

doimlinque: Wiederum hmm. Er hat teilweise Recht, andererseits formuliert er natürlich bewusst überpointiert und nicht alles ist nach fünfzig Jahren futsch. Aber prinzipiell, ich weiß nicht, es stimmt schon: Es geht ja um das, was zwischen den Zeilen steht, und da braucht man auch für die meisten Klassiker von ein paar hundert Jahren inzwischen einen Fußnotenapparat. Die eigentliche Fabel – Junge und Mädchen auf tollen Abwegen – ist freilich keinen einzigen Tag gealtert.

Diander: Denke ich auch, bei dieser Geschichte ist das ein wenig Koketterie. Boy meets girl ist zeitlos.

doimlinque: Voll heteronormativ, ey! Egal. Apropos Ausgaben. Ein Wort zu Euren Ausgaben. Ich selbst nenne ja so eine billige Peinlichkeit mein Eigen, Schande für jedes Buchregal, die mich schon mehrere Freundschaften gekostet hat. Was soll ich sagen, war ein Geschenk.

Anchesa: Meins ist auch ein Geschenk und von daher nicht „billig“. Es ist eine Taschenbuchausgabe vom Anaconda-Verlag 2010.

Diander: Ich schwöre, es geht noch schlimmer: Ich habe die Reclam-Ausgabe, bei denen mich der Buchhändler meines Vertrauens immer scheel von der Seite ansieht und murmelt „mir wäre die Schrift zu klein, das kann man doch nicht lesen“. Aber von Altersweitsichtigkeit bin ich Gottseidank Meilen entfernt. Ich habe es eher genossen, diesmal keine so fette Kladde abends in den Händen halten zu müssen und mir eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Ellenbogen wie bei anderen unserer Schinken einzufangen.

doimlinque: Oho, versteckte Kritik. Gut, nächstes Mal „Krieg und Frieden“ mit Kommentarband dazu.

Diander: Gerne, nach Reclam ist alles ausgeheilt.

doimlinque: Oder mal was Betuliches. Das Alte Testament, oder so.

Anchesa: Seeehr gute Idee.

 

Den Rest des Abends wurde dann weitergepüttchert, alttestamentarisch sozusagen. Und Jugendsünden ausgetauscht. Bleiben aber selbstredend intern.

 

 

Die Weinbeeren, Anchesa, Diander und doimlinque

 

Worüber die Weinbeeren gesprochen haben? „Rheinsberg“ von Kurt Tucholsky pur, zum Lesen, die Verfilmung von 1967 und ein Auszug aus dem Hörbuch, gelesen von Anna Thalbach

 

Ältere Streiche der Weinbeeren hier im Blog  oder aus alten Zeiten im „Freitag

63 Gedanken zu „Rheinsberg – „Generationsweise vom Blatt geliebt“

    1. Diander Autor

      Kommt auf die Perspektive an. Aus Sicht eines/r Jugendlichen ist verliebte Albernheit bei mit Jupitermonden gesegneten Erwachsenen wahrscheinlich voll oft peinlich, ey. Aber mit ein paar Jupitermonden mehr auf dem Buckel: Ja, ei sicherlich.
      Danke fürs aufmerksame Lesen ;)
      Grüßle, Diander

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      1. justrecently

        Ich ergänze dann mal: verliebte Erwachsene haben das Recht, albern zu reden, wenn sie unter sich sind. Jetzt müsste ich meine Perspektive vollumfänglich dargestellt haben.

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        1. Diander Autor

          Ich war schon mit dem ersten Kommentar d`accord. Die Antwort war eher dem Sohne aufs Mäulchen geschaut, nicht als Widerspruch à la „Ach Gott, konnste auch besser mir nicht zu bekorrigieren zu gebrauchs gehabs habs!“

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        2. doimlinque

          Eben. Deswegen finde ich auch den Vorwurf, diese Geheimsprache sei so nervig, ein wenig ins Leere gehend, denn wir – als Leser – sind ja nicht die eigentlichen Adressaten. Tucholsky lässt uns sozusagen Mäuschen spielen und das entworfene Tableau der Intimität finde ich eigentlich sehr gelungen.

          Gruß, d.

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          1. justrecently

            Ja, ich bleib trotzdem mal bei meinem ersten plus zweiten Kommentar. Man muss ja nicht alles auf dem Markt s-patzierenführen, wie man nebenan von hier in Hamburg sagt.

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            1. doimlinque

              …war auch gar kein Einspruch. Andererseits, wenn die beiden Rheinsberger nicht ein wenig etwas auf dem Markt s-pazierengeführt hätten, wäre das Büchlein noch sehr viel kürzer geworden, als es ohnehin schon ist.

              Gruß, d.

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    2. Diander Autor

      Und Tucholsky sagt:

      Danach

      Es wird nach einem happy end
      im Film jewöhnlich abjeblendt.
      Man sieht bloß noch in ihre Lippen
      den Helden seinen Schnurrbart stippen –
      da hat sie nun den Schentelmen.
      Na, und denn – ?

      Denn jehn die beeden brav ins Bett
      Naja … diß is ja auch janz nett.
      A manchmal möchte man doch jern wissen:
      Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
      Die könn ja doch nich immer penn … !
      Na, und denn – ?

      Denn säuselt im Kamin der Wind.
      Denn kricht det junge Paar ’n Kind.
      Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
      Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
      Denn wolln sich beede jänzlich trenn …
      Na, und denn – ?

      Denn is det Kind nich uffn Damm.
      Denn bleihm die beeden doch zesamm.
      Denn quäln se sich noch manche Jahre.
      Er will noch wat mit blonde Haare:
      vorn doof und hinten minorenn …
      Na, und denn – ?

      Denn sind se alt.
      Der Sohn haut ab.
      Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
      Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit –
      Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
      Wie der noch scharf uff Muttern war,
      det is schon beinah nich mehr wahr!
      Der olle Mann denkt so zurück:
      wat hat er nu von seinen Jlück?
      Die Ehe war zum jrößten Teile
      vabrühte Milch und Langeweile.
      Und darum wird beim happy end
      im Film jewöhnlich abjeblendt.

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          1. doimlinque

            Das Beste ist, dass die Alte beim Klau dieser Russennummer süße 18 Jahre alt war. Und dann einen auf ‚weißt Du noch, dereinst im Wonnemonat Mai‘ machen. Ist mir auch bei Tucholsky aufgefallen, der war bei der Veröffentlichung von Rheinsberg wie alt, 21, oder so, gell…? Finde ich eine im wahrsten Sinne des Wortes reife Leistung. Ich konnte mit 21 so eben meine ersten Sätze geradeaus formulieren.

            Gruß, d.

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            1. Diander Autor

              Das war ziemlich genau der Subtext, den ich mit dem Video meinte, wenn jemand in dem Alter schon von good ol days spricht, ist das zumindest begrinsenswert. Dazu eine Anekdote: Mein Sohn erzählte im Alter von ca. 6-7 Jahren über Lieder, die wir früher gesungen hatten und leitete ein mit: „Als ich noch ein Kind war, …“ Als ich ihn zart darauf stupste, dass er ja nun mit 6,7 schon auch noch ein bisschen Kind wäre, meinte er „Du weißt schon, ich meine halt die Babyheit…“

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              1. doimlinque

                Die Babyheit, hihi. Das ist gut gesagt, es gibt ja eigentlich auch kein richtig gutes Substantiv dafür, oder?

                Gruß, d.

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  1. Hermann Gebauer

    Ihr drei Lieben,
    habe wie immer Euren Text mit Vergnügen gelesen. Kenne das Buch selbst nicht, aber Ihr bringt es gut herüber. Ja, wenn die Liebe nicht wäre!? Ist sie doch das Salz des Lebens.
    Dank Diander für das Jedicht von Tucholky. dass nun echte Spitze ist. Allerdings habe ich daran etwas auszusetzen: Das Glücksgefühl der Liebe kann im Leben eines Menschen in verschiedensten Variationen, je nach Alter, die Langeweile wie einen alten Besen in die Abstellkammer verbannen. Das hängt allein von uns selbst ab.
    Nochmals Dank für Eure Unterhaltung, warte schon auf die nächste.
    LG, Costa Esmeralda

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    1. Diander Autor

      Hallo Costa, danke für den Besuch und bitte für das Vergnügen, im wahrsten Sinne des Wortes gern geschehen. Und zum Glücksgefühl: ja, siehe die Kommentare von JR plus Ergänzungen.
      Grüßle, Diander

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  2. anchesa69

    Diander, schön, dass Du noch das Gedicht beigesteuert hast :-)
    Na und der Udo war eh konkurrenzlos gut und auch sonst…

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  3. dame.von.welt

    Juhu, die Weinbeeren haben wieder getagt!

    -> Schloß Gripsholm, anyone?

    Das ist in gewisser Weise Erweiterung und Fortschreibung von Rheinsberg (mit einzwei dunkleren Untertönen), auch wenn Claire dort Lydia, eigentlich Lotte und ganz eigentlich aber Lisa Matthias heißt und sich gegen die dort angedeutete Dreisamkeit verwahrt: „Als Tucholsky eines Tages Yvonne und mich nach Brisaggo einlud, erst in zwei Zimmern und, abschlußweise, in einem – lachten wir über den armen Irren, dessen Sexualität anfing, Erotomanie zu werden. […] Meine Freundschaft mit Yvonne litt tatsächlich – wie es in Schloß Gripsholm steht – keinen Schaden. Teils weil ich Tucholskys Benehmen nur noch lächerlich fand, teils weil ich mich an der „Nacht zu Dritt“ überhaupt nicht beteiligte.

    Während der Tucho schreibt: „In den langen Wintermonaten, in denen ich mich mit ›Gripsholm‹ beschäftigt habe, hat mir nichts soviel Mühe gemacht, wie diesen Ton des wahren Erlebnisses zu finden. Außer einem etwas vagen Modell zum Karlchen und der Tatsache, daß es wirklich ein Schloß Gripsholm gibt, in dem ich nie gewohnt habe, ist so ziemlich alles in dieser Geschichte erfunden: vom Briefwechsel mit Rowohlt an bis zur (leider! leider!) Lydia, die es nun aber gar nicht gibt. Ja, es ist sehr schade.

    Hmnuja, wem wird denn jetzt wohl mehr geglaubt…;-)…?

    Fakt ist, daß Tucho den Roman der-> Autonummer IA 47 407 widmete. Fakt ist auch, daß Tuchos zweite Station Exil in der Nähe von Schloß Gripsholm lag.

    Das Obige schnell bei Wikipedia zusammengekratzt, weil ich mich in eine Formulierung von ClaireLydiaLotteLisa in ‚Schloß Gripsholm‘ so verliebt habe, daß sie in meinen Sprachschatz eingegangen ist: das ‚Knöpfchenkaufen‚. Das beschreibt das Alleinausschwärmen, Ausschauhalten und mögliche Kaufen aller Kleinigkeiten, die Männer nix angehen und bei denen die Dame bitte gern unbegleitet sein möchte: Knöpfchen, Kurzwaren, Hygieneartikel, zauberhafte Nichtse für untendrunter, weniger zauberhafte Mittel, um 9monatige und vieljährige Folgen von Zauberhaftigkeiten zu verhindern, Schuhe, Hüte, Kleider, Gift usw.

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    1. Diander Autor

      Aaah, wir scheinen mit Tucholskys mehr einen Nerv zu treffen als mit Mantel und Degen, wa?

      Schloss Gripsholm, anyone?

      Here! Die Ähnlichkeiten sind schon auffällig, ja. Mir fiel bei Gripsholm auch die Parallele der eigenartigen Sprache der „Prinzessin“ auf, diesmal zwar Dialekt, Plattdeutsch/Missingsch, aber schon auch ähnlich dem Kauderwelsch von Claire. »Kann mir gahnich gienug wunnern, dasse den Zeit nich verschlafen hass!« Der Satz könnte von beiden, Claire wie der Prinzessin stammen. Komisch sprechen scheints dem Herrn angetan zu haben.

      Wem mehr zu glauben ist? Ich hätte da so eine Präferenz. Else Weil, die erste Gattin Tucholskys (und die echte Claire aus Rheinsberg), soll zum Ende der Ehe gesagt haben:
      ->„Als ich über die Damen wegsteigen musste, um in mein Bett zu kommen, ließ ich mich scheiden.“

      Und Knöpfchenkaufen ist herzallerputzigst. Das kommt in Rheinsberg ja auch vor. Als Wölfchen und Claire spaßeshalber in den Weißwarenladen der oben skizzierten Damen Luft kommen und Claire Wäscheknöpfe verlangt, wird Wölfchen von den Damen Luft peinlich berührt des Ladens verwiesen »Möchte der schunge Härr nicht so lang rausgehen…«

      Grüßle, Diander

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      1. dame.von.welt

        Aaah, wir scheinen mit Tucholskys mehr einen Nerv zu treffen als mit Mantel und Degen, wa?

        Yes! Das einzig Bedauerliche ist der Umstand, daß beide Bücher so schnell wieder alle sind.

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    2. doimlinque

      Je nun…

      Persönlich finde ich das gar nicht sooo entscheidend, wer da nun im einzelnen rechter liegt. Freilich, der Impuls, das Gedruckte mit der Autorinnen- oder Autorenbiografie abzugleichen, ist schnell da, ebenso wie das Bemühen, bestimmte Bücher gleich in Gänze als roman à clef zu lesen. Zumal, wenn es so naheliegend ist, wie bei „Rheinsberg“/“Schloss Gripsholm“. Aber Romane sind Fiktion und die jeweiligen Personen und/oder Erzählinstanzen nicht deckungsgleich mit der Autorin bzw. dem Autoren.
      Ganz generell muss ein literarisches Werk in sich funktionieren und stimmig sein. Das bedeutet auch, dass die Geschichte in gewissem Sinne überindividuell wird und vor allem „Fakten“ gegenüber autonom bleibt. Sonst reden wir, da würde ich ganz elitär argumentieren, nicht wirklich über Kunst.

      Wiederum freilich werden gute Autoren auch genau mit dieser Leserlust, einen vermeintlichen Blick hinter die Kulissen werfen zu können, zu spielen wissen. Und es ist ja auch spannend, Parallelen zwischen Text und Leben nachzuspüren. Aber wenn ein Buch nichts anderes ist, als Tagebucheintragungen (wenngleich ich sofort auch deren „Wahrheitsgehalt“ hinterfragen würde), bleibt es zum einen flach und kommt zum anderen über Tagesaktualität nicht hinaus. Ach Gott, ich doziere schon ganz apodiktisch, wie unsympathisch…

      Knöpfchenkaufen ist gut, ich finde Ihr Alleinausschwärmen aber auch nicht schlecht – allein und im Schwarm, so etwas kann nur in deutschen Komposita einen schönen Sinn ergeben. Gift kauft ihr also, wenn ihr alleine ausschwärmt. Ich hatte da bis jetzt immer ein Fragezeichen hinter setzen müssen.

      Gruß, d.

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      1. dame.von.welt

        Persönlich finde ich das gar nicht sooo entscheidend, wer da nun im einzelnen rechter liegt.

        Darum ging es auch nicht, sondern wer glaubhafter ist…;-)… egal, ob Romangestalt oder Autor. Ich finde Wolfgang und Kurt, genannt Peter glaubhafter als den (zitierten) Tucho.

        Für den als Person täte es mir von Herzen leid, wenn er recht hätte, tatsächlich nie eine Lydia getroffen zu haben. Eben so von Herzen hoffe ich, daß es für ihn (nur durch die späte Erinnerung in traurigen Zeiten zum Traurigen verunklärt) °situativ° jede Menge Lydias gegeben hat. Auch Erotomanen, über deren Beute man schon wegsteigen muß, suchen ja nicht selten die Eine, Wahre.

        Gift kauft ihr also, wenn ihr alleine ausschwärmt. Ich hatte da bis jetzt immer ein Fragezeichen hinter setzen müssen.

        Ich habe nicht geschrieben, für wen das knöpfchengekaufte Gift bestimmt ist!

        Könnte ja auch für eine, leider schon vorgefühlt Nichtwahre selbst bestimmt sein, nein?
        Oder für den unerträglichen Papagei, den Dackel, die Mutter o.ä. des Einzigen, Wahren.
        Oder für die vielen Mäuse in der Küche, die der Einzige, Wahre immer noch romantisch und sentimental mit Lebendfallen zu bekämpfen versucht, deren Inhalt er aber bloß über die Straße trägt – während die Mäuse schneller wieder im Haus zurück sind als er selbst (hattichmal).
        Oder so…
        Grüße zurück!

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        1. doimlinque

          Auch Erotomanen, über deren Beute man schon wegsteigen muß, suchen ja nicht selten die Eine, Wahre.

          So steht es jedenfalls im großen Handbuch der Küchenpsychologie, und ich für meinen Teil will es gerne glauben. Wenn man dann noch weiß, dass der Tucho eine ganz und gar verkorkste Beziehung zu seiner Mutter hatte, ach je, ach je…

          Die Sache mit den lebendgefangenen Mäusen und dem „Einzigen, Wahren“ (uiuiui) kann ich gut nachvollziehen, nachdem mir einmal gleich zwei niederländische Mäuse in so eine gemeine Genickbrechfalle gelaufen sind und ich die ineinander verkeilten Körperchen dann entsorgen musste. War ein echter Heartbreaker, und ich habe alle Mäuse, die seither die häusliche Bühne betreten haben, einfach gewähren lassen. Eigentlich sind die total süß.
          Und überhaupt: Wenn einer einen Dackel hat, dann kann es auf gar keinen Fall der Einzige, Wahre sein. Einen Dackel!

          Gruß, d.

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          1. dame.von.welt

            Wenn eine verliebt ist, ist es immer der Einzige, Wahre.
            Surrender! Wenigstens versucht muß es doch werden, ob’s vorläufig für immer ist!

            Es gab mal einen Einzigen, Wahren, mit dem ich liebend gern, stundenlang und tränenreich (beide) das große Ankommen und Verabschieden am Bahnhof gespielt habe und das kam eigentlich nur, weil mir die Formulierung ‚großer Bahnhof‘ nix sagte und mein Liebster mir das umgehend praktisch vorführen mußte (war toll). Weil Sie es von der Theaterhaftigkeit von ‚Rheinsberg‘ hatten. Spielen ist überhaupt erst das Salz in der ganzen Verliebtheitssuppe!

            Es gäbe übrigens ein weiteres, extrem lesenswertes Buch von einem mit „ganz und gar verkorkster Beziehung zu seiner Mutter“ – gleiche Zeit, gleiches Revier wie der Tucho – nämlich Erich Kästner und-> Der Gang vor die Hunde.

            Dackel sind, nebenbei bemerkt, schwer erziehbare und superschlaue Jagdhunde, die sind nur was für sehr anspruchsvolle und erfahrene Hundefreunde. Jedenfalls sind sie nix als wandelnder überfetteter Kackschlauch im Rentnerbesitz.

            Garantiert Nichteinzige, Unwahre manifestieren sich für mich ja eher unter-> pfeiferauchenden Irish Setter-Besitzern.

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            1. Diander Autor

              Es gab mal einen Einzigen, Wahren, mit dem ich…

              Damit wäre nun Tucholskys Prognose

              „Weil aber die Zeit läuft und sich das, was zwischen den Zeilen eines Buches ausgedrückt ist, niemals länger als fünfzig Jahre hält und mit den Menschen, von denen es und für die es geschrieben ist, dahingeht – deshalb wird die Dame Lydia mit den Achseln zucken und sagen: „Reizend!“

              … endgültig widerlegt. Die Geschichte wirkt immer noch. Hach ja.

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              1. doimlinque

                Nein, ich glaube wirklich, Du missverstehst ihn an dieser Stelle. Dass zwei Menschen füreinander die Einzigen, Wahren sindwerdenwaren, wird es immer geben. Ansonsten, ganz ehrlich, könnte die Welt doch auch morgen aufhören, sich zu drehen. Das weiß auch Tucho.
                Aber das Dekorum ist von Generation zu Generation ein anderes, da würde ich ihm unbedingt recht geben.

                Gruß, d.

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            2. doimlinque

              Ja, Sie haben doch mit allem Recht, ich surrendere auf ganzer Linie (ohne jemals gekämpft zu haben). Einzig bei den Hunden würde ich darauf bestehen wollen, dass alles, was nicht bis wenigstens übers Knie reicht, besser ein Meerschweinchen geworden wäre. Es gibt Länder, da gelten Meerschweinchen als Delikatesse. Many thanks für den Zappa, das ist einer meiner Hausgötter.

              Da muss ich also einmal den Kästner lesen. Von seinen Büchern für große Menschen kenne ich nur „Fabian“, das finde ich so mittel. Und mir fällt dieses Gedicht ein, das klingt nur halb verkorkst. Aber lyrisches Ich und Autor sind bekanntlich nie ganz deckungsgleich.

              Stiller Besuch

              Jüngst war seine Mutter zu Besuch.

              Doch sie konnte nur zwei Tage bleiben.

              Und sie müsse Ansichtskarten schreiben.

              Und er las in einem dicken Buch.

              Freilich war er nicht sehr aufmerksam.

              Er betrachtete die Autobusse

              und die goldnen Pavillons am Flusse

              und den Dampfer, der vorüberschwamm.

              Seine Mutter hielt den Kopf gesenkt.

              Und sie schrieb gerade an den Vater:

              „Heute abend gehen wir ins Theater

              Erich kriegte zwei Billets geschenkt.“

              Und er tat, als ob er fleißig las.

              Doch er sah die Nähe und die Ferne,

              sah den Himmel und zehntausend Sterne

              und die alte Frau, die drunter saß.

              Einsam saß sie neben ihrem Sohn.

              Leise lächelnd. Ohne es zu wissen.

              Stadt und Sterne wirkten wie Kulissen.

              Und der Wirtshausstuhl war wie ein Thron.

              Ihn ergriff das Bild. Er blickte fort.

              Wenn sie mir schreibt, mußte er noch denken,

              wird sie ihren Kopf genau so senken.

              Und dann las er. Und verstand kein Wort.

              Seine Mutter saß am Tisch und schrieb.

              Ernsthaft rückte sie an ihrer Brille,

              und die Feder kratzte in der Stille.

              Und er dachte: Gott, hab ich sie lieb!

              Gruß, d.

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              1. dame.von.welt

                Da muss ich also einmal den Kästner lesen. Von seinen Büchern für große Menschen kenne ich nur “Fabian”, das finde ich so mittel.

                ‚Der Gang vor die Hunde‘ ist die ursprüngliche unzensierte Ausgabe von ‚Fabian’…;-)…
                Ich hatte die beiden Tuchos lange nach dem Kästner gelesen, hatte aber sofort dessen Berlin- und Zeitbeschreibung als Hintergrundkulisse im Kopf. Und ich habe gerade ein Erwachsenenbuch von Kästner entdeckt, das ich unbedingt noch lesen muß: -> Notabene 45.

                Hunde-wise ( -> Zappa-wise sowieso und immer) hätte ich Ihnen vor einigen Jahren noch ganz und gar zugestimmt, aber da kannte ich auch noch keinen Terrier und keinen anderen kleinen Jagdhund. Und noch keine Mops, die Katzen unter den Hunden.

                Der E.T.A. Hoffmann hockt aber schon mit in der Runde der Serapionsbrüdern? Kommt im Kater Murr vor? In der Kreisleriana? Und in jedem anderen seiner Bücher, in denen ein Jurist, Komponist, Autor oder Trinker vorkommt?

                Autoren-Persönlichkeitsrückschlüsse via Werk sind vielleicht ein bißchen wie Rückschlüsse auf die realen Personen hinter Synonymen und Avataren im www: es blitzt schon so manches durch die Zeilen, nein?
                Ich konnte mich (Beispiel) leicht entscheiden, Sie alle drei Weinbeeren äußerst sympathisch zu finden…;-)…

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                1. Diander Autor

                  Apropos äußerst sympathisch (*erröt*): ich verschweige dann wohl besser, dass bei mir Hunde nach der nach Regenwetter müffelfähigen Oberfläche eingeteilt werden. Ganz oben auf der Hitliste ist „kein Hund“, ziemlich weit unten „zottelig und groß“.

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                  1. dame.von.welt

                    Oben auf meiner Liste steht: Katze. Sowieso und immer schon.
                    Meine Sympathien hängen doch nicht von Hundemögen ja/nein ab!
                    Es gibt ein paar wenige Hunde, die ich mag – einen Hund zu halten fände ich nur dann in Ordnung, wenn der eine Aufgabe hat (z.B. auf Haus, Latifundien, mich aufpassen).
                    Die müffelfähigen Hundeoberflächen hängen aber nach meinem Eindruck weniger von ihrer Größe als vom Hundehalter ab, nämlich von Ernährung, Auslauf, Fellpflege usw., ein bißchen auch vom Alter des lieben Viechs. Ich kenne zum Beispiel einen Hund, der amtlich groß und ungeschoren auch zottelig ist und auch nicht mehr wirklich jung und der (fast immer) wohlriechend ist, nämlich der Emil, Familienmitglied beim kleinen König Kallewirsch…;-)…

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                    1. Diander Autor

                      Wenn dann Katze oben auf der Liste, ja. Meine Eltern haben schon die dritte Generation dackliger Kackschlauch (wasn Ausdruck, da muss ich in Zukunft aufpassen, dass mir der beim Elternbesuch nicht rausrutscht …;-)). Und jede Generation Dackel hat – trotz gar nicht mangelhafter Bewegung, Fellpflege usw. – so nach alten Gummistiefeln und mehr gemüffelt, dass es schier nicht zu ertragen ist. Zumindest, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Nachdem mein Sohn eine Hundehaarallergie sein eigen nennt, habe ich aber nen guten Grund, mich vom auch noch bissigen Kackschlauch (Dackel!) fern zu halten, man will ja kein Überträger sein. Aber wegen der Allergie darf Katze auch nicht sein.

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                  2. doimlinque

                    Zwei der drei ModeratorInnen dürfen bis morgen einen Gesinnungsaufsatz über das schöne Thema Loyalität, unbedingte verfassen oder sich wahlweise schon einmal nach einem neuen Job umschauen.

                    Gruß, d.

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                2. doimlinque

                  Da sehen sie mal, vor wie vielen Monden ich den Kästner abgelegt habe. Spannend, dieses Notabene 45. Ich glaube, von allen möglichen Haltungen zur Hitlerzeit ist mir als Nachgeborenem die sogenannte innere Emigration die unbegreiflichste. Und die „Hoffnung, dass aus den verblendeten Mitläufern von einst doch Demokraten werden“…uff.

                  Und noch keine Mops, die Katzen unter den Hunden.

                  Vor einigen Jahren, sagen Sie, es ist also vielleicht noch nicht zu spät und lässt sich noch manches an Ihren Mopsirrungen wieder einrenken. Ottos Mops kotzt. (Kotzbombenelement!)

                  Der E.T.A. Hoffmann hockt aber schon mit in der Runde der Serapionsbrüdern? Kommt im Kater Murr vor? In der Kreisleriana? Und in jedem anderen seiner Bücher, in denen ein Jurist, Komponist, Autor oder Trinker vorkommt?

                  Er steckt drin, aber er ist es nicht.

                  Autoren-Persönlichkeitsrückschlüsse via Werk sind vielleicht ein bißchen wie Rückschlüsse auf die realen Personen hinter Synonymen und Avataren im www: es blitzt schon so manches durch die Zeilen, nein?

                  Es blitzt manches durch die Zeilen, andererseits schreiben wir keine Romane, sondern frisieren nur unsere jeweiligen Onlineauftritte. Und täuschen kann man sich so oder so. Beispiel? Beispiel:

                  Ich konnte mich (Beispiel) leicht entscheiden, Sie alle drei Weinbeeren äußerst sympathisch zu finden…;-)…

                  (Stellen Sie sich an dieser Stelle bitte so ein kehliges Dracula-Lachen vor.)

                  Gruß, d.

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                  1. dame.von.welt

                    Und täuschen kann man sich so oder so. Beispiel? Beispiel:
                    „Ich konnte mich (Beispiel) leicht entscheiden, Sie alle drei Weinbeeren äußerst sympathisch zu finden…;-)…“ (Stellen Sie sich an dieser Stelle bitte so ein kehliges Dracula-Lachen vor.)

                    SehnSe? Der Dracula (Karpaten, hm?) im buchstäblichsten aller Flachländer, Sie sind immer so entzückend, wenn Sie versuchen, den-> Bösen zu geben…;-)))…

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                    1. doimlinque

                      Boah, Tiefschlag, wo bleibt die Moderation?!?
                      Obendrein verhärtet sich hier eine schreckliche Vermutung: Sie verbringen viiiiel zu viel Zeit vor dem Rechner, anders ist schier nicht zu erklären, wie Sie sich jemals bis zu diesem Fideo im Darknet haben durchklicken können. (Und dann würde mich natürlich noch interessieren, wie Sie mich all meiner Anonymisierungsversuche zum Trotz haben identifizieren können. War es die Popperfrisur oder das lässig umgedrehte Käppi…?)

                      Gruß, d.

                      P.S.: Für Dracula reicht es übrigens schon, einen Sarg mit heimatlich-karpatischer Erde im Gepäck zu haben, so kam der gute Mann – Stoker zu Folge – dereinst auch bis nach London, was nicht viel hügeliger als Gelderland sein dürfte.

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                    2. Diander Autor

                      Zwei der drei ModeratorInnen sitzen grinsend vor dem darknet und bewundern die ausdrucksstarke Baritonstimme. Aber wunschgemäß wurde eingeschritten. Ein wenig Dankbarkeit über DvWs Stärkung Deiner These der Unterschiede zwischen lyrischem Du und Autor wäre ihr gegenüber im Übrigen angebracht.

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                    3. anchesa69

                      „P.S.: Für Dracula reicht es übrigens schon, einen Sarg mit heimatlich-karpatischer Erde im Gepäck zu haben, so kam der gute Mann – Stoker zu Folge – dereinst auch bis nach London, was nicht viel hügeliger als Gelderland sein dürfte.“

                      Nun weiß ich wenigstens, wie ich es endlich nach London schaff. Danke für den Tipp ;-)

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      2. Diander Autor

        Freilich, der Impuls, das Gedruckte mit der Autorinnen- oder Autorenbiografie abzugleichen, ist schnell da, ebenso wie das Bemühen, bestimmte Bücher gleich in Gänze als roman à clef zu lesen. Zumal, wenn es so naheliegend ist, wie bei “Rheinsberg”/”Schloss Gripsholm”.

        Die -> „Klappentexterin“ schrieb dazu neulich:

        „Die Liebe zu einem Autor ist eine ganz besondere – denn es ist ein eigentlich fremder Mensch, mit dem man sich dennoch durch eine unsichtbare Schnur verbunden fühlt. Nur allein dadurch, was und wie er seine Geschichten schreibt und einen so begeistert.“

        Da finde ich ist was dran. Andernfalls wären Biografien (über Künstler, Schriftsteller, Maler, bitte ergänzen…) die reinsten Ladenhüter, deren Autoren längst verhungert. Und aus den Themen, die gewählt werden, den Geschichten, die erzählt werden, zumal wenn sich Motive wiederholen, ein bis anderthalb Rückschlüsse auf die Schreibenden zu ziehen, ist …menschlich, ja. Die politischen Gedichte Tucholskys lassen irgendwie rein küchenpsychologisch das Fazit zu, dass es sich nicht um einen strammen Rechten handelte (Asche übers Haupt, wegduck)

        Gift kauft ihr also, wenn ihr alleine ausschwärmt. Ich hatte da bis jetzt immer ein Fragezeichen hinter setzen müssen.
        Das gibt es als Bückware im Weißwarenladen, wusstest Du das nicht? Ach nein, da darfst Du ja nicht rein.

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        1. doimlinque

          Also, zum einen bestreitet niemand, dass der Kontext, in dem ein Werk geschrieben wird, vollkommen belanglos ist. Das fängt bei den weltgewichtigen Zeitläuften an und hört bei den Ehezwistigkeiten der Autorin noch lange nicht auf. Trotzdem ist das Personal zwischen zwei Buchdeckeln niemals nicht eins zu eins gleichzusetzen mit Figuren der realen Welt. Es sind fiktive Entitäten, die in der Buchwelt zu Hause sind. Das hatte ich sagen wollen.

          Und zum anderen ist das ein schönes Zitat (mir hat auch das besprochenen Nabokov-Buch gefallen), aber es trifft natürlich auch zu, wenn man hinter Romanfiguren ganz und gar keine lebende Person hindurchschimmern sieht. Ich glaube keine Sekunde, dass E.T.A. Hoffmann der Sandmann war (let alone der Nussknacker o.ä.), trotzdem ist das ein famose Geschichte, für die ich ihn küssen könnte.

          Bückware im Weißwurstladen?!? Es werden in diesem Blog etliche weibliche Geheimnisse enthüllt, von denen ich nicht sicher bin, ob mann sie wirklich wissen wollte.

          Gruß, d.

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          1. Diander Autor

            Haha, ich surrendere auch (ich glaube, über mich selbst herausgelesen zu haben, dass ich ein friedliebender Mensch bin, kann mich aber täuschen, da ja lyrisches Ich und Autor selten deckungsgleich sind). Oder biete zumindest als Kompromiss an, dass E.T.A. Hoffmann in echt vermutlich mal einen Nussknacker bedient hat und Tucholsky mal in Bettwäsche mit weißen Wäscheknöpfen schlief.

            Bückware im Weißwurstladen?!? Es werden in diesem Blog etliche weibliche Geheimnisse enthüllt, von denen ich nicht sicher bin, ob mann sie wirklich wissen wollte.

            Betrachte es als Zeichen unserer Gunst, hier einige Interna preiszugeben. Es ist immer gut, zumindest gewappnet zu sein.

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        2. anchesa69

          „Das gibt es als Bückware im Weißwarenladen, wusstest Du das nicht? Ach nein, da darfst Du ja nicht rein.“
          Was es wohl dann als Bückware im Werkzeugladen gibt?

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          1. Diander Autor

            Das kann ich als alte Heimwerkerin beantworten (dank etlicher Ismen darf ich als Frau heutzutage in den Werkzeugladen): Streichhölzer. Alter Trick, wenn der Dübel nicht hält. So schlicht sind manche Geheimnisse.

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      3. anchesa69

        Du hast Recht, gute Literatur ist es, wenn jeder in dem Werk etwas anderes für sich herausziehen kann. Und „Knöpfchenkaufen “ muß ich mir merken, das beschreibt es auf den Punkt :-)

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  4. anchesa69

    Wißt ihr, das wir einen Aspekt ganz ausser Acht gelassen haben?
    Heut war das Casting für den Festivalsommer in Rheinsberg. Dieses Jahr gibts Tosca – und wir haben nicht gesungen bei unserem Treff 8-o

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    1. Diander Autor

      Uäääh, was ist das denn bitte für eine schreckliche, abseitige Idee, Rheinsberg als Promo für Porsche, Landrovers und SUVs zu verwenden und zu verhohnepiepeln? Tucholsky wäre es nicht zu verdenken, wenn er sich im Grabe herum dreht.

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      1. doimlinque

        Schon. Wenn ich Tucholsky wäre, würde ich mich allerdings bereits im Grabe herumdrehen bei dem Gedanken, dass heuer ein „Tucholsky-Museum“ im Schloss Rheinsberg eingerichtet ist. Es ist so…verkehrt.
        Und die beiden it-girls, ach Gottchen. Wer Porsche, Landrover und SUVs fährt, ist mit so etwas vermutlich zu ködern.

        Gruß, d.

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        1. Diander Autor

          Ich gestehe übrigens, dass ich lange nicht kapiert hatte, was eigentlich ein It-Girl sein soll, dachte dabei immer an Datenverarbeitung. Hmnuja. Irgendwann wurde das dann immer unwahrscheinlicher, dann hilft aber wenigstens beim Nachschlagen mittlerweile die Datenverarbeitung.

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          1. doimlinque

            Dass das nicht selbsterklärend ist: Die sind so cool, dass sie schon wieder nicht cool sind. Und immer für einen Sturm im Wasserglas Internet zu haben.

            Gruß, d.

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